19-12-2006, 20.15
Winkt dir die Liebe, so folge ihr,
sind auch ihre Wege hart und steil.
Und umfahrn dich ihre Flügel,
so ergib dich ihr,
mag auch das unterm Gefieder verborgene Schwert dich verwunden.
Und redet sie mit dir, so trau ihrem Wort,
mag auch ihre Stimme deine Träume erschüttern,
wie der Nordwind den Garten verwüstet.
Denn gleich wie die Liebe dich krönt,
so wird sie dich kreuzigen,
wie sie deinen Lebensbaum entfaltet,
so wird sie ihn beschneiden.
Wie sie emporsteigt zu deiner Höhe
und die zartesten Zweige liebkost,
die in der Sonne erbeben,
ebenso wird sie hinabsteigen zu deinen Wurzeln
und sie aufrütteln in ihrem Festklammern am Erdboden.
Gleich Garben von Korn rafft sie dich an sich.
Sie drischt dich, um dich zu entblößen.
Sie siebt dich, um dich von Spreu zu befreien.
Sie zermalmt dich, bis du weiß wirst,
sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.
Und dann beruft sie dich an ihr heiliges Feuer,
auf dass du heiliges Brot werdest zu ihrem heiligen Festmahl.
All dies wird die Liebe mit dir machen, damit du die Geheimnisse
Deines Herzens kennen lernst und in diesem Wissen
Ein Teil vom Herzen des Lebens wirst.
Aber wenn du in deiner Angst nur die Ruhe und die Lust der Liebe suchst,
Dann ist es besser für dich, deine Nacktheit zu bedecken
Und vom Dreschboden der Liebe zu gehen
In die Welt ohne Jahreszeiten,
Wo du lachen wirst,
Aber nicht dein ganzes Lachen,
Und weinen,
Aber nicht all deine Tränen.
Liebe gibt nichts als sich selbst und nimmt nichts als von sich selbst.
Liebe besitzt nicht, noch lässt sie sich besitzen;
Denn die Liebe genügt der Liebe.
Wenn du liebst solltest du nicht sagen: Gott ist in meinem Herzen,
Sondern: Ich bin in Gottes Herzen.
Und glaube nicht, du kannst den Lauf der Liebe lenken,
Denn die Liebe, wenn sie dich für würdig hält, lenkt deinen Lauf.
Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.
Aber wenn du liebst und Wünsche haben musst,
Sollst du dir dies wünschen:
Zu schmelzen und wie ein plätschernder Bach zu sein,
Der seine Melodie der Nacht singt.
Den Schmerz allzu vieler Zärtlichkeit zu kennen.
Vom eigenen Verstehen der Liebe verwundet zu sein;
Und willig und freudig zu bluten.
Bei der Morgenröte mit beflügeltem Herzen zu erwachen
Und für einen weiteren Tag des Liebens dankzusagen;
Zur Mittagszeit zu ruhen und über die Verzückung der Liebe nachzusinnen;
Am Abend mit Dankbarkeit heimzukehren;
Und dann einschlafen mit einem Gebet
Für den Geliebten im Herzen
Und einem Lobgesang auf den Lippen.
aus: Kalil Gibran, »Der Prophet«
sind auch ihre Wege hart und steil.
Und umfahrn dich ihre Flügel,
so ergib dich ihr,
mag auch das unterm Gefieder verborgene Schwert dich verwunden.
Und redet sie mit dir, so trau ihrem Wort,
mag auch ihre Stimme deine Träume erschüttern,
wie der Nordwind den Garten verwüstet.
Denn gleich wie die Liebe dich krönt,
so wird sie dich kreuzigen,
wie sie deinen Lebensbaum entfaltet,
so wird sie ihn beschneiden.
Wie sie emporsteigt zu deiner Höhe
und die zartesten Zweige liebkost,
die in der Sonne erbeben,
ebenso wird sie hinabsteigen zu deinen Wurzeln
und sie aufrütteln in ihrem Festklammern am Erdboden.
Gleich Garben von Korn rafft sie dich an sich.
Sie drischt dich, um dich zu entblößen.
Sie siebt dich, um dich von Spreu zu befreien.
Sie zermalmt dich, bis du weiß wirst,
sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.
Und dann beruft sie dich an ihr heiliges Feuer,
auf dass du heiliges Brot werdest zu ihrem heiligen Festmahl.
All dies wird die Liebe mit dir machen, damit du die Geheimnisse
Deines Herzens kennen lernst und in diesem Wissen
Ein Teil vom Herzen des Lebens wirst.
Aber wenn du in deiner Angst nur die Ruhe und die Lust der Liebe suchst,
Dann ist es besser für dich, deine Nacktheit zu bedecken
Und vom Dreschboden der Liebe zu gehen
In die Welt ohne Jahreszeiten,
Wo du lachen wirst,
Aber nicht dein ganzes Lachen,
Und weinen,
Aber nicht all deine Tränen.
Liebe gibt nichts als sich selbst und nimmt nichts als von sich selbst.
Liebe besitzt nicht, noch lässt sie sich besitzen;
Denn die Liebe genügt der Liebe.
Wenn du liebst solltest du nicht sagen: Gott ist in meinem Herzen,
Sondern: Ich bin in Gottes Herzen.
Und glaube nicht, du kannst den Lauf der Liebe lenken,
Denn die Liebe, wenn sie dich für würdig hält, lenkt deinen Lauf.
Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.
Aber wenn du liebst und Wünsche haben musst,
Sollst du dir dies wünschen:
Zu schmelzen und wie ein plätschernder Bach zu sein,
Der seine Melodie der Nacht singt.
Den Schmerz allzu vieler Zärtlichkeit zu kennen.
Vom eigenen Verstehen der Liebe verwundet zu sein;
Und willig und freudig zu bluten.
Bei der Morgenröte mit beflügeltem Herzen zu erwachen
Und für einen weiteren Tag des Liebens dankzusagen;
Zur Mittagszeit zu ruhen und über die Verzückung der Liebe nachzusinnen;
Am Abend mit Dankbarkeit heimzukehren;
Und dann einschlafen mit einem Gebet
Für den Geliebten im Herzen
Und einem Lobgesang auf den Lippen.
aus: Kalil Gibran, »Der Prophet«