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Von der Abgeschiedenheit und vom Besitzen Gottes - Balder - 9-12-2006 19.17

Ich wurde gefragt: manche Leute zögen sich streng von den Menschen zurück und wären immerzu gern allein, und daran läge ihr Friede und daran, daß sie in der Kirche wären - ob dies das beste wäre? Da sagte ich: »Nein!« Und gib acht, warum.

Mit wem es recht steht, wahrlich, dem ists an allen Stätten und unter allen Leuten recht. Mit wem es aber unrecht steht, für den ists an allen Stätten und unter allen Leuten unrecht. Wer aber recht daran ist, der hat Gott in Wahrheit bei sich; wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebensogut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle; wenn anders er ihn recht und nur ihn hat, so kann einen solchen Menschen niemand behindern.

Warum?

Weil er einzig Gott hat und nur auf Gott absieht, und alle Dinge ihm lauter Gott werden. Ein solcher Mensch trägt Gott in allen seinen Werken und an allen Stätten, und alle Werke dieses Menschen wirkt allein Gott; denn wer das Werk verursacht, dem gehört das Werk eigentlicher und wahrhaftiger zu als dem, der da das Werk verrichtet. Haben wir also lauter und allein Gott im Auge, wahrlich, so muß er unsere Werke wirken, und an allen seinen Werken mag ihn niemand zu hindern, keine Menge und keine Stätte. So kann also diesen Menschen niemand behindern, denn er erstrebt und sucht nichts, und es schmeckt ihm nichts als Gott; denn der wird mit dem Menschen in allem seinem Streben vereint. Und so wie Gott keine Mannigfaltigkeit zu zerstreuen vermag, so auch kann diesen Menschen nichts zerstreuen noch vermannigfaltigen, denn er ist eins in jenem Einen, in dem jede Mannigfaltigkeit Eins und Nichtmannigfaltigkeit ist.

Der Mensch soll Gott in allen Dingen ergreifen und soll sein Gemüt daran gewöhnen, Gott allzeit gegenwärtig zu haben im Gemüt und im Streben und in der Liebe. Achte darauf, wie du deinem Gott zugekehrt bist, wenn du in der Kirche bist oder in der Zelle: diese selbst Gestimmung behalte und trage sie unter die Menge und in die Unruhe und in die Ungleichheit. Und - wie ich schon öfter gsagt habe - wenn man von "Gleichheit" spricht, so meint man (damit) nicht, daß man alle Werke als gleich erachten solle oder alle Stätten oder alle Leute. Das wäre gar unrichtig, denn Beten ist ein besseres Werk als Spinnen und die Kirche eine würdigere Stätte als die Strasse. Du sollst jedoch in allen Werken ein gleichbleibendes Gemüt haben und ein gleichmässiges Vertrauen und eine gleichmässige Liebe zu dem Gott und einen gleichbleibenden Ernst. Traun, wärest du so gleichmütig, so würde dich niemand hindern, deinen Gott gegenwärtig zu haben.

Wem aber Gott nicht so wahrhaft innewohnt, sondern wer Gott beständig von draußen her nehmen muß in diesem und in jenem, und wer Gott in ungleicher Weise, seis in Werken oder unter den Leuten oder an Stätten, der hat Gott nicht. Und es mag leicht etwas geben, was einen solchen Menschen behindert, denn er hat Gott nicht, und er sucht nicht ihn allein noch liebt noch erstrebt er allein. Und darum hindert ihn nicht nur böse Gesellschaft, sondern ihn hindert auch die gute, und nicht allein die Strasse, sondern auch die Kirche, und nicht allein böse Worte und Werke, sondern auch gute Worte und Werke. Denn das Hindernis liegt in ihm, weil Gott in ihm noch nicht alle Dinge geworden ist. Denn wäre dies so bei ihm, so wäre ihm an allen Stätten und bei allen Leuten gar recht und wohl; denn er hat Gott, und den könnte ihm niemand nehmen, noch könnte ihn jemand an seinem Werk hindern.