Ein Blümchen blüht an stillen Quellen
Und atmet süßen Lebensduft.
Es badet sich in klaren Quellen,
Und munter mit des Frühlings Schwellen
Regt sich die Knospe in der Luft.
Schon grünt die Flur mir süßem Prangen,
Und Freude färbt die zarten Wangen.
Es strahlt der Lenz auf tausend Zweigen;
Froh hat sich die Natur verjüngt.
Die Jugend schlingt den muntern Reigen.
Horch! wie dort durch des Haines Schweigen
Das süße Lied der Vögel klingt!
Doch schöner als der Klang im Liede
Färbt sich am Quell die zarte Blüte.
Und Sommer wird's im jungen Leben,
Und kürzer weilt die kühle Nacht,
Und feuriger wird jedes Streben;
Es keimt die Kraft in zarten Reben;
Es strahlt das Feld in goldner Pracht:
Die Knospe will die Hülle spalten,
Zur Blume herrlich sich entfalten.
Und höher steigt der Lauf der Sonnen;
Es glüht im dichtbelaubten Tal.
Des Nebels Dünste sind zerronnen;
Vertrocknend stirbt der klare Bronnen;
Der Quell versiegt im Sonnenstrahl.
Doch frischer noch in Jugendfülle
Entfaltet sich des Blümchens Hülle.
Des Spätjahrs Kühle kommt gezogen;
Reif glänzt der Traube Gold hervor.
Die Sonne sinkt am Himmelsbogen;
Es quillt, im Innern auferzogen,
Aus Blütentod die Frucht empor.
Doch ewig schön, im zarten Kleide,
Malt sich des Blümchens süße Freude.
Da zieht die Schwalbe durch die Felder;
Die Biene zehrt vom Frühlingsraub.
Es pfeift die Windsbraut durch die Wälder;
Die Purpurrebe färbt die Kelter,
Und raschelnd fällt das dürre Laub.
Doch frei vom ernsten Weltgesetze
Enthüllt das Blümchen seine Schätze.
Da stürzt sich mit der eh'rnen Kette
Hoch vom Gebirg' der Winter los.
Er macht die Welt zur Grabesstätte,
Und mit des Eises Silberglätte
Umfesselt er der Erde Schoß
Und mordet auf den kahlen Fluren
Des zarten Lebens letzte Spuren.
Doch wie vom Götterblut empfangen,
Regt sich des Blümchens süße Pracht:
Es strahlt empor mit Glutverlangen
Und schmückt die Welt mit Frühlingsprangen
Und lichtet die gewalt'ge Nacht,
Aufglühend in des Himmels Freie:
Das Blümchen "ew'ge Liebestreue".
Gedicht von Theodor Körner